Mein Sommer: Weihnachten, Karneval, Ostern und Rio de Janeiro

Oi gente!

Bei mir hat im Februar nach zweieinhalb Monaten Sommerferien die Schule wieder angefangen. Meine schulfreie Zeit habe ich zum großen Teil mit und ohne Surfbrett am Strand verbracht.


Deshalb war es ein bisschen schwer für mich, zu realisieren, dass es Weihnachten wird, auch wenn überall festliche Beleuchtung zu sehen war und in der Innenstadt sogar bei 35°C Plastikschneemänner aufgestellt wurden. Zudem hatte ich das Gefühl, dass die Feiertage in Brasilien nicht so festlich begangen werden wie in Europa.

An Heiligabend war ich abends in der Christmette. Später kam Verwandtschaft und es wurde, wie bei den meisten feierlichen Anlässen in Brasilien, gegrillt. Für das typische churrasco werden große Stücke Fleisch in grobkörnigem Salz gewälzt, auf Spießen gegrillt und danach in kleine Streifen geschnitten. Ich habe vermutlich noch nie so gutes Steak wie in Brasilien gegessen. Neben churrasco gab es aber auch noch einen Truthahn, Salate und Nachspeisen.



Eine brasilianische Spezialität: Hühnerherzen

Nach Mitternacht wurden Geschenke ausgetauscht. Ich habe von meiner Gastfamilie einen Schlafanzug bekommen und ihnen ein gerahmtes Foto, Lebkuchen aus Deutschland und ein Neuschwanstein-Puzzle geschenkt. Mit letzterem haben wir dann den ersten Weihnachtsfeiertag verbracht. Leider war das Wetter nicht so gut, sonst wären wir vermutlich an den Strand gegangen. Der 26. Dezember ist in Brasilien schon wieder ein ganz normaler Werktag.


Auch Silvester ist in Brasilien ein wichtiges Ereignis. Es wird weiße Kleidung angezogen und vor Mitternacht versammeln sich alle am Strand, wo ein großes Feuerwerk gezündet wird. Um sich Glück fürs nächste Jahr zu sichern, springt man über sieben Wellen. An der Strandpromenade gibt es dann noch Konzerte und Partys.


An Neujahr hat sich am Abend wieder die Verwandtschaft im Haus meiner Gastfamilie zum churrasco versammelt. Da wir diesmal vollständig waren, haben wir amigo secreto gespielt, ähnlich wie Wichteln. Jeder bekommt einen heimlichen Freund gelost, für den er ein Geschenk besorgt. Diese werden aber nicht einfach so übergeben. Jeder muss seinen amigo secreto beschreiben und die anderen müssen dann erraten, wer es ist. Ich habe von der Freundin meines Gastneffen ein T-Shirt und einen Becher bekommen. Zufälligerweise habe ich auch sie gezogen und ihr Flip-Flops geschenkt.

Im Sommer waren in Laguna viele Touristen aus dem Inland und Nachbarländern, die ihre Ferien am Meer verbrachten. Lagunas Population hat sich deshalb deutlich erhöht. Das hat manchmal sogar zu Problemen der Infrastruktur und Wasser- und Stromausfällen geführt. Die Strände waren meist voller Menschen, an Ständen wurden Pommes, crepes (eigentlich so etwas wie gefüllte Waffeln), açaí (Eiscreme aus der Açaí-Beere)Kokosmilch und vieles andere angeboten. Brasilianerinnen sind sehr stolz auf ihren Teint und "arbeiten" hart, um ihre Bräunungsstreifen zu bekommen, die hier keineswegs als lästig, sondern als wünschenswert und hübsch angesehen werden. Sogar ich habe hier Farbe angenommen.
Es fanden einige große Konzerte in Laguna statt, auf denen nationale Größen (z. B. Simone e SimariaTurma do Pagode und MC Kevinho) auftraten. Auf einem dieser habe ich auch in meinen Geburtstag reingefeiert. Am nächsten Tag gab es noch Kuchen mit meiner Gastfamilie.


Ende Januar bin ich nach Rio de Janeiro geflogen. Ich habe an einer Reise, die für Austauschschüler organisiert wurde, teilgenommen. Gemeinsam mit Jugendlichen aus der ganzen Welt habe ich die cidade maravilhosa, die wunderbare Stadt, erkundet. Wir haben das historische Zentrum, das Maracanã-Stadion, den Zuckerhut, das Museu do Amanhã, die Festung von Copacabana, die Christusststatue und natürlich die Strände von Copacabana und Ipanema besichtigt. Spätestens, als ich auf dem Zuckerhut stand und eine einzigartige Sicht über Rio hatte, habe ich mich in diese Stadt verliebt. Es war eine unglaublich schöne Woche und ich habe mich sehr gefreut, internationale Freundschaften schließen zu dürfen. Doch auch wenn ich einen sehr positiven Eindruck der Stadt hatte, ist mir klar, dass ich nur die touristischen Orte besichtigt habe, während in den Favelas, den Armenvierteln, große Kriminalität und Armut herrschen.

Der Blick über Rio vom Zuckerhut

Copacabana


Mitte Februar ist der vermutliche Höhepunkt des brasilianischen Jahres: der Karneval. Der Karneval von Laguna wird oft als der schönste im Süden Brasiliens betitelt. In Laguna finden die Umzüge der Sambaschulen bereits vor der eigentlichen Karnevalswoche statt. Die verschiedenen Sambaschulen treten dabei gegeneinander an und versuchen, mit der besten Darstellung zu gewinnen.



In der Faschingswoche gibt es verschiedene blocos. Beim Kauf der Eintrittskarte für diese Partys bekommt man auch ein Top, das vor allem die Mädels dann umschneidern und anpassen. Die Feier beginnt am späten Nachmittag, doch wenn der bloco gegen zwei Uhr morgens ein Ende findet, hört das Feiern noch lange nicht auf. Ausgehend von der Veranstaltung zieht ein trio elétrico über die Strandmeile, das ist ein Truck, auf dem eine Band spielt. Ich hatte einmal sogar die Ehre, auf das trio elétrico zu kommen, da ich einen der Verantwortlichen kenne. Der Höhepunkt der Woche war am Sonntag. Zum bloco da pracinha haben sich ca. 150.000 Menschen auf der Straße versammelt, um zusammen vom Nachmittag bis in die Morgenstunden zu feiern. Diese Feier war offen und ohne Eintritt. Es gab auch kein extra Top, deshalb sind die meisten verkleidet gegangen.

Auf dem trio elétrico
Der bloco da pracinha (nur ein Ausschnitt)

Nachdem ich die vermutlich besten Partys meines bisherigen Lebens erlebt hatte, durfte ich mich aber nicht lange erholen, da die Schule direkt wieder am Donnerstag nach Aschermittwoch anfing.
Das brasilianische Schuljahr beginnt im Februar. Ich gehe jetzt ins terceiro ano, das dritte und letzte Jahr des ensino médio, der Oberstufe. Dass es jetzt steil auf den Abschluss zugeht, merkt man auch im Unterricht. Während letztes Jahr die eine Hälfte der Klasse geschlafen und die andere Hälfte sich anderweitig beschäftigt hat, arbeiten jetzt die meisten mit.

Meine Klasse, in die auch eine französische Austauschülerin geht

Zu Ostern haben wir mit der Schule die Passion Christi aufgeführt. Ich hatte sogar eine kleine Sprechrolle und durfte Claudia, die Frau von Pontius Pilatus darstellen. Alles Gesprochene haben wir aber vorher in einem Radiostudio aufgenommen und bei der Vorstellung vom Band abgespielt. Die Aufführung war am Montag der Karwoche und ein voller Erfolg.


Am Karsamstag war ich mit meinem Gastvater in der Messe. Am Ostersonntag gab es -Überraschung- churrasco. Außerdem habe ich Eier gefärbt, da mir meine Schwester aus Deutschland Eierfarbe geschickt hat. Diesen Brauch gibt es in Brasilien nicht.

Im März habe ich mit meiner Gastfamilie einen Ausflug ins Gebirge gemacht. Das Serra do Rio Rastro liegt ca. 100 km weiter im Landesinneren. Durch einen Canyon führt eine Straße, in Serpentinen durch eine einzigartige Landschaft. Sie ist von Klippen und kleinen Wasserfällen gezeichnet. Danach erreicht man ein Plateau und es wird wieder flach. Dort sind wir in eine churrascaria. In diesem Restaurant zahlt man einen festen Preis und kann sich dann an einem Beilagen Buffet bedienen. Zudem kommen Kellner immer wieder an die Tische und bieten gegrilltes Fleisch an. Wieder einmal wurde mir klar, dass vermutlich nirgendwo so gut gegrillt wird, wie in Brasilien.





Seit Dezember mache ich Capoeira. Das ist eine Kampfsportart, die von Sklaven aus Afrika nach Brasilien gebracht wurde und sich dort unter Einfluss verschiedener Kulturen weiterentwickelt hat. Der Kampf wird in einer roda, einem Kreis, ausgeführt und von Musik begleitet. Dabei werden verschiedene Figuren durchgeführt und es wird kontaktlos, eigentlich vielmehr miteinander, als gegeneinander gekämpft.


Mittlerweile ist der Großteil meines Auslandsjahres schon vorbei und meine Rückreise rückt immer näher. Ich habe mich sehr gut in meiner zweiten Heimat eingelebt. Manchmal wird mir gesagt, ich sei schon mehr Brasilianerin als Deutsche, worauf ich sehr stolz bin. Natürlich freue ich mich, in weniger als zweieinhalb Monaten meine Familie und Freunde wieder zu sehen und in mein deutsches Leben zurück zu kehren. Allerdings fällt mir der Gedanke, dass ich dann alles, was ich hier habe, zurück lasse, sehr schwer.

Beijos,

Maria

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